Vernissage Annik Jacobi und Julia Dietz bei Natalia Offermanns (4.12.04)


Sehr geehrte Damen und Herren, 

die Ausstellung, die wir heute hier eröffnen, vereinigt die Werke zweier Studentinnen der Stuttgarter Akademie, die Natalia Offermanns nach Mannheim eingeladen hat, Julia Dietz und Annik Jacobi. Beginnen möchte ich meine kurze Einführung mit den Werken, die hier im Raum hängen von Julia Dietz. 

Auffällig sind zunächst die Tuschebilder, in großen Formaten, auf grundierte Leinwand mit der Feder gezeichnet, die, wie Julia Dietz mir erzählte, erst entstanden als sie schwanger war und keine Farbdämpfe mehr vertrug. Aber der Ausgangspunkt von allem, was sie tut, ist die Farbe, jedenfalls was die zweidimensionale Tätigkeit angeht. Denn eigentlich wollte sie ja Bildhauerei studieren in Stuttgart, was sie auch das erste Jahr gemacht hat, zumeist plastische Arbeiten, die mit ihr und ihrem Körper zu tun hatten. Sie erzählte mir von einer Arbeit, die aus ihrem abgeformten Körper in Epoxydharz bestand, der als Lampe mit einer speziellen Birne ausgestattet war, die gegen Depressionen wirken soll. Aus dieser Arbeit sprach deutlich ihr erstes Leben als Masseurin und Heilpraktikerin. Aber nach einem Jahr plastischer Gestal-tung ging sie über zu Malerei und Zeichnung. 
Der Ausgangspunkt war, wie sie mir erzählte, die Farbe: Kräftige bis heftige Farbtöne, hier auch zu sehen, giftgrün, knallrot, aber auch gelb (das Bild ist verkauft, es war eine Serie) wa-ren der Ausgangspunkt für ihre Malerei. Der Auslöser kam aber wieder eher vom Körper her bzw. von ihrem Wissen um den Körper: Man sagt, dass schizophrene Menschen beim Malen instinktiv kräftiges Rot, Grün und Gelb wählen, da wollte Julia Dietz den Weg anders herum gehen: Es interessierte sie, was passiert, wenn sie als gesunder Mensch mit diesen Farben ar-beitet. Und sie berichtet, dass sie in eine Art Zwischenwelt kam beim Malen mit diesen Far-ben, die immer dynamischer auf der Leinwand kreisen, bis sie zum Schluss explodieren. 

Aber ich denke, es ist generell so, dass die Art und Weise ihres Arbeitens verantwortlich ist für die Ergebnisse: Sie plant nicht genau, was sie machen wird, es gibt nur eine grobe Vorstel-lung, wie sie vorgehen wird, aber der Rest geschieht einfach. Diese Bilder, sowohl die Tu-schezeichnungen auf Leinwand wie auch die Acrylgemälde zeigen sehr viel Verwandtschaft mit Arbeiten, die in den 70er Jahren entstanden sind, häufig unter Drogeneinfluss. Beispiels-weise kann man gerade in der Sammlung Prinzhorn in Heidelberg solche anonymen Zeich-nungen und Bilder junger Leute sehen, die sie unter Drogen gezeichnet haben. Die Verwandt-schaft zu den Werken hier besteht darin, dass halbbewusstes Arbeiten eigentlich ähnlich funk-tioniert: Der Geist driftet weg, man verliert die Kontrolle, taucht ein in magische Welten. Das kann beim Malen geschehen, aber auch beim Betrachten: Wenn Sie näher hingehen und sich auf die Bilder einlassen, sehen Sie immer wieder Anderes und Neues, treten ein in eine unbe-kannte Welt. Und diese Welt ist weiblich: Ganz explizit wird das an dieser Tuschezeichnung sichtbar, die eine schwangere Frau mit Baby im Bauch zeigt. Julia Dietz hat ja auch gerade ein Baby geboren, der Zusammenhang ist also auch autobiografisch. Aber eigentümlich finde ich, dass das Baby im Bauch fast wie ein Erwachsener aussieht, ganz lange Beine hat und breite Hüften. Besonderes geschieht auch im Körper der Schwangeren, Pflanzen, Muster und große Sterne zeigen sich, beispielsweise in der Brust, die ja eine Quelle des Lebens ist ohne glei-chen. Und dahinter scheinen es gestrickte, gehäkelte, gestickte Muster zu sein, die den Hinter-grund bilden. Also ein deutlicher Verweis auf die traditionelle Weiblichkeit. Rätselhafter, aber auch ganz weiblich ist dieses giftgrüne Gemälde mit einem Kolibri, es heißt „Fruchtbar“ und bei näherer Betrachtung öffnen sich ganz viele Blicke hinein in Blüten oder Früchte oder Gänge in die Tiefe. Alle ihre Bilder sind ornamental und buntfarbig und laden zu Reisen ein in ihr Wesen.


Bei Annik Jacobi, die sieben Jahre jünger ist, geht es gerade um das Gegenteil: In ihren Zeichnungen und Mischtechniken mit Acryl und Farbkreiden stellt sie häufig sehr gekonnt Basketballspieler dar, und zwar auch deshalb, weil sie selbst Basketball spielt. Das ist nun ei-ne eher männlicher Zugang zur Welt, sichtbar auch an der Darstellungsweise: In mancher der Mischtechniken sind Perspektivlinien angegeben, es herrschen allenthalben geometrische Klarheit und Stringenz und eine hohe Dynamik. Annik Jacobi versteht ihr Handwerk, sie kann die Bewegungen des Fangens, Werfens und die Drehungen perfekt und spannungsvoll wie-dergeben.

Aber sehr viel interessanter erscheinen mir ihre dreidimensionalen Fotografien: So etwas hatte ich zumindest noch nie gesehen: Sie schneidet Fotografien auseinander und setzt sie wieder zusammen bzw. verwendet auch mal zwei Abzüge für ein Bild. So entstehen Porträts, Selbst-porträts, aber auch einer Freundin, die durch die Verspannung in den Raum ganz anders wir-ken als sonst. Durch die Aufteilung und die unterschiedliche Farbigkeit, manche Stellen sind tiefschwarz, andere fast weiß, wieder welche hellgrau, sind sie stark verfremdet, man muss sich erst einmal orientieren, was wohl wie gemeint ist. Stark ist es bei dem Rückenporträt die-ser Freundin, die auch noch ein Tattoo trägt, und der Verbindung mit dem Stoff, da werden auch Assoziationen an große Maler des 19. Jh. wach, an Ingres oder Delacroix kann man sich erinnert fühlen. Gerade weil alles so verfremdet ist, ist der Eindruck auch ganz offen.

Fast deutlicher wird die Bedeutung dieses neuen Verfahrens an den Basketballspielern, die auf diese Weise drei Arme oder vier Beine haben können, und sich sehr viel dynamischer noch als die Zeichnungen bewegen. Das Tolle an den Bildern ist auch, dass man sie nur vor Ort tat-sächlich als das sieht, was sie sind, nämlich dreidimensionale Fotografien. Auf normalen Fo-tos wie auf der Einladungskarte oder im Internet sieht man die dritte Dimension nicht. Sprich gerade Annik Jacobis Arbeiten müssen im Original gesehen werden, sonst erschließt sich ihre Vehemenz nicht. 

Beide Künstlerinnen stehen mehr oder weniger am Anfang ihres Weges und wir dürfen ge-spannt sein, wie er sich entwickelt und ihnen viel Glück und Erfolg wünschen für die Zukunft. Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, danke ich für Ihre Aufmerksamkeit und wün-sche Ihnen viel Vergnügen beim Betrachten der Bilder.

© Dr. Susanne Kaeppele 2004