Einführungsrede zur Ausstellung

Conny Grabowski   - Bilder

Katarzyna Krej  - Glasskulpturen, Keramikobjekte, Grafik

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

die zwei jungen Künstlerinnen Conny Grabowski und Katarzyna Krej stellen hier ihr Werke vor und es unbedingt ein Verdienst von Natalia Offermanns, seit einigen Jahren ganz junger Kunst ein Forum in Mannheim zu bieten.

Beginnen möchte ich mit der jungen Polin Katarzyna Krej, die vorletzte Nacht mit dem Bus und ihrer gesamten Ausstellung aus Breslau angereist kam. Sie wurde 1979 in Sosnowiec geboren, besuchte eine Art künstlerisches Gymnasium und studiert seit 1999 an der Akademie der Bildenden Künste in Breslau die Fächer Glas und Ton. Sie hat dabei ihren Schwerpunkt auf Glasdesign gelegt und schließt in ein paar Monaten ihr Studium ab. Letztes Jahr war sie als ErasmusStipendiatin an der Akademie in Stuttgart und studierte dort Glasmalerei und -entwurf bei Johannes Hewel. Sie kann schon auf einige Ausstellungen in ihrer Heimat und Stuttgart zurückblicken, demnächst ist sie auf einer Gruppenausstellung in Frankreich vertreten.

Katarzyna Krej arbeitet seit zehn Jahren mit Glas, das ja ein sprödes und schwieriges Material ist. Bei 1200 Grad Celsius Hitze wird es geformt oder geblasen und es braucht sehr viel Konzentration und auch Kraft. Glaskunst entsteht, wie andere Kunst, wenn das Handwerk vollständig beherrscht wird, und es dauert lange Zeit, bis es soweit ist und mai~ dann zur Kunst kommen kann. Sie präsentiert jetzt hier verschiedene Arbeiten aus Glas und Ton. Ihre Vorhänge aus klitzekleinen farbigen Frauenbüsten aus glasierter Keramik haben Sie schon gesehen, die auch als Kleider fungieren könnten und dann den nackten Oberkörper mit nackten Oberkörper bedecken würden. Aber ich möchte jetzt Ihr Augenmerk auf die kleineren Glasobjekte lenken, die hier verteilt sind.

So stehen dort hinten im Fenster ihre geblasenen, wie gedrückt wirkenden biomorphen Gebilde, die rote Stacheln haben. Die Stacheln sind auch aus Glas, die sie quasi mit einem Minibrenner anlötet, so möchte man sagen. Sie hat mir das erst einmal erklärt: Eine rote Glasplatte wird so weit erhitzt, dass sich das Material ziehen lässt. Dann werden kleine Stücke abgetrennt mit dem Minibrenner, das benötigt viel Konzentration, denn alles ist sehr heiß. Aber wenn man die Kunstwerke dann sieht, hat man keine Ahnung, was dahintersteckt, sie wirken ganz fremdartig, rätselhaft, ganz eigentümlich. Eine weitere Besonderheit ist, dass die kleinen Objekte mit Glas-puder bestreut sind und so eine opake Oberfläche erhalten, sich bucklig werfen, wie kleine Planeten oder bei faulendem Obst, und die roten Spitzen wirken dann wie Stacheln einer fremden Frucht.

Ganz eigentümlich wirkt auch ihre Arbeit „Pain“, also Schmerz, in der sich an dicken Glasplatten dünne, filigrane, flirrige, rote Linien anlegen, die gewiss die Verletzung andeuten sollen, das Blut, das fließt, wenn man sich mit Glas verletzt. Sehr überzeugend sind die verschiedenen Ansichten, wie sich die Farben und Formen brechen im Glas und dann das Rot, die Intensität. Hier kann man schon eine Richtung benennen, die die Künstlern verfolgt: Sie geht vom Narrativen über zum Abstrakten, vom Erzählen zum Ausdruck und verrätselt dabei für den Betrachter das Ergebnis.

Auch ihre Arbeit „Sommerferien“ ist ungewöhnlich: Es war an der Akademie die Aufgabe gestellt worden, etwas zu den Ferien zu gestalten und Katarzyna Krej wäre es am liebsten in der Eiseskälte der Arktis gewesen. Deshalb hat diese Arbeit einen ganz eisigen Touch, man hat das Gefühl, dünnen Eisstäbchen beim Sichaufrichten oder Zerbrechen zuzusehen. Katarzyna Krej sucht immer Lösungen dafür, Gefühle oder Stimmungen in Glas auszudrücken, auf ungewöhnliche Weise.

Ihre Zeichnungen -ich würde sie informell nennen - wiederum beweisen ihre künstlerische Kraft und das Interesse am menschlichen Körper, aber sie stehen auch im Zusammenhang mit den Glasarbeiten: Wenn Sie sich hier die Blauer anschauen, sehen Sie wieder die flirrigen, filigranen Spuren in Rot, die auch in der Glasarbeit „Schmerz“ zu sehen sind, aber nun übertragen auf die zweidimensionale Fläche, umgeben von sehr viel Schwarz.

Willem de Kooning: „Nichts ist über Kunst zu sagen, außer dass es sich dabei um ein Wort handelt. (...) Wir leben noch nicht in einer Welt, in der alles aus sich selbst heraus verständlich ist. (...) Die Kunst in der Malerei ist der für immer stumme Teil.“

Die gebürtige Berlinerin Conny Grabowski, Jahrgang 1976, malt seit etwa dreieinhalb Jahren „Oberleitungen“, auch als Abschlussarbeit ihres Kunststudiums an der Schule für Darstellende Künste „Die Etage“ in Berlin, wo sie im Fachbereich Malen! Zeichnen/Bühnenbild studierte. In Berlin hatte sie wie auch hier im Raum schon einige Ausstellungen. Conny Grabowski arbeitet mit Pinsel und Acryl auf Leinwand, collagiert aber auch dünnes Seidenpapier auf die Leinwand und verwendet Lack, Erde, natürliche Pigmente und ihr Maiwasser. So kommt es schon vom Material her, dass ihre Bilder trotz der konstruktivistisch wirkenden Strommasten bewegt und lebendig wirken. In der letzten Ausstellung hier bei Natalia Offermanns staffelte sie die Masten hintereinander, erzeugte mithilfe ‘der Perspektive Räumlichkeit, wie wir es auch bei diesem Gemälde hier sehen können. Die Gemälde wirkten so gleichzeitig konstruktivistisch und bewegt, lebendig.

Diese Elektromasten erinnerten mich aber dennoch sofort an die Brüder Georgij und Viadimir Stenberg, die dreidimensional ganz vehemente Formexperimente machten, die an Brücken erinnerten oder an Kräne. Aber eben 1922 in der jungen Sowjetunion und dreidimensional und sehr an den technischen Fragen der Zeit interessiert, nur von der reinen Konstruktion fasziniert, die sich ja dann bald in Produktionskunst wandeln sollte.

Heute scheinen sich gerade junge Künstler wieder mit dem Konstruktivismus zu beschäftigen. So stellte etwa vor zwei Jahren in der ausgezeichneten Ausstellung „Utopien heute?“ im 
Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen ein junger Amerikaner namens Jason Rogenes aus, der mit Styroporstücken, wie sie in Verpackungen von Fernsehern oder Stereoanlagen enthalten sind, ganz konstruktive, ja konstruktivistische neue Formen zusammenbaute und sie dann beleuchtet an die Decke hängte. Und jetzt Conny Grabowski, die ganz klar Strommasten malt. Aber: durch ihre Art der Malerei, die sehr gestisch und bewegt ist, verändert sie die eigentlich kühlen, ja rationalen Formen, sie wirken dann lebhaft und verlieren ihren eigentlichen Charakter der Konstruktivität. Es kommt mir so vor, als werde ein umgekehrter Weg wie zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Russland beschritten: Damals ging es darum, die Kunst quasi zu modernisieren, sie von der Last der reinen Gegenständlichkeit, der reinen Naturabbildung zu befreien bzw. sie durch die Bildgegenstände technoid zu machen. Heute hat man bei Conny Grabowski eher den Eindruck, der Produktion reiner Malerei zuzusehen als der Bildung konkreter Formen. Sie kann die Masten und Leitungen nutzen, um ihre Bildfläche zu strukturieren, aber dann der reinen Malerei nachgehen.

Deutlicher wird das noch beiden neuesten Arbeiten, bei denen der Anlass zur Malerei immer weiter zurücktritt. Wenn man beispielsweise das Gemälde links an der Wand betrachtet, hat man den Eindruck, auf eine Stadt herabzublicken, wie in einem Science-Fiction-Film auf die Quadrate und Linien einer Stadtanlage zu schauen. Erstaunlich schwarz wirken die Gemälde, das Rechte mit dem schwarzen Streifen rechts. In diesen Bildern sind die Oberleitungen noch da, aber nehmen nur einen kleinen Teil der Bildfläche ein. Sie erzielen so eine gewisse Perspektivität auf der Fläche, gehen wie vorher von einem Mast aus. Nicht verborgen hat die Künstlern, wie sie malt, eigentlich müssten die Bilder horizontal hängen, denn die dünne Farbe läuft in eine andere Richtung, als das Bild gehängt ist. Es geht hier aber nicht um Illusion, nicht um Vortäuschung, es geht um Malerei pur. Dafür spricht auch der schwarze Klecks auf dem mittleren Gemälde, der wie auf einer Leitung sitzt. Oder die Künstlerin bereinigt die gelaufenen Spuren, die begradigt, gebändigt, aber dann doch nicht ordentlich werden.

Der Obertitel „Konstruktion und Intuition“, der der ursprüngliche Titel der umfassenden Konstruktivismus-Ausstellung „Die große Utopie“ in Frankfurt/M. 1992 war, passt eigentlich sehr gut auf das Werk der jungen Künstlerin. Denn sie konstruiert sich mit den Strommasten und Leitungen einen Bildgrund, in dem sie dann ihre malerische Intuition walten lassen kann.


Abschließen möchte ich mit einem Zitat des großen Jean Dubuffet, das auf beide Künstlerinnen zutrifft, wie ich meine, auch wenn er über Malerei spricht:

„Die Malerei arbeitet mit Zeichen, die nicht abstrakt und unkörperlich sind wie Wörter. Die Zeichen der Malerei sind den Gegenständen selbst sehr viel näher. Darüber hinaus manipuliert Malerei Materialien, die selbst wiederum lebende Substanzen sind. Deshalb erlaubt sie es uns (die Malerei), in der Annäherung an Dinge und deren Beschwörung viel weiter zu gehen, als Worte dies tun.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und viel Vergnügen beim Betrachten der Kunstwerke

© dr. susanne kaeppele
freie Kunsthistorikerin