Vielseitiger Fabulierer 

Von unserer Mitarbeiterin Ulrike Soltendiek

Dass ein Künstler, der schon in vielen großen Häusern ausgestellt hat, der mit Katalogen und Präsentationen geehrt wurde und der besonders in seiner russischen Heimat viel Beachtung findet, nun in ihrer kleinen Mannheimer Galerie zu finden ist, macht Galeristin Natalia Pantchenko schon ein wenig stolz. Es sei die Vielseitigkeit Constantin Latishevs, die sein Werk so beeindruckend mache, findet die Inhaberin der Galerie.

Wenig festlegbar sind Latishevs Arbei­ten in der Tat. Seine Figurenreihe, in denen er die Gestalten und Wesen gleich reihenweise nebeneinander setzte, könnten als Geschichten gelesen und verstanden werden. Jede Figur kann aber auch für sich gesehen und interpretiert werden. Mal drängen sich Gedankenketten geradezu auf, dann wieder entziehen sie sich abrupt.

Die ausnahmslos in grafischem Schwarz-Weiß gehaltenen Zeichnungen könnten Szenen aus dem jüdischen Leben und Brauchtum darstellen, sie enthalten an die Gottheiten des alten Mexiko erinnernde Götzenfiguren, archaische Naturgestalten und geflügelte Fabelwesen. Der Künstler selbst scheint beim Zeichnen ins Fabulieren zu geraten, die Fantasie entzündet sich von einer Figur zur nächsten. Ein indianisch anmutendes Wesen, über und über mit Graffiti-Ornamenten bedeckt, ist in sich gleichzeitig technisch verdrahtet. Im krassen Gegensatz zu diesen Figurenbildern stehen Arbeiten, die an die Plakatmalerei der zwanziger und dreißiger Jahre erinnern. „Leben des Hundes“ zeigt zwittrige Menschen-Tiere, die karikaturhaft überzeichnet sind. Latishev beschränkt sich in diesen überzogenen Horrorspiegeln auf wenige, unharmonisch komponierte Farben, die aber wiederum gut zu dem kühlen, karikierenden Gestus der Arbeiten passen. Im Gemälde „Coma“ sammelt eine gallegrüne „Marianne“ lächelnd Totenschädel wie Apfel in ihre Schürze, während nebenan der Künstler mit einem überzogenen Konterfei hämisch feixt.

Puppenlustig und voll gestellt sind dagegen manche der in Bleistift gefassten Comic Strips. Da findet sich Alles oder Nichts, Vieles ist möglich, aber nichts muss wirklich sein oder werden. so, wie Latishev teils skizzenhaft-anekdotisch darstellt, kann er in anderen Blättern geradezu von pedantischer Akribie sein. Oft legt er bis zu 40 kleine, eigenständige Bildchen mit den unterschiedlichsten Themen auf einem Blatt neben- und untereinander. Da darf die Fantasie des Betrachters wieder spielen.

 

© Mannheimer Morgen   –   04.02.2000